Die Woche beginnt mit einem wiederkehrenden Programm-Punkt: Faulenzen. In meinem Fall bedeutet das allerdings aktives Faulenzen. Ich bin so aktiv, dass mir sogar ein kleines Stück vom Schneidezahn abbricht und ich daher den Reparaturservice in Anspruch nehmen darf. Jeder liebt Zahnärzte und ich habe nun das große Privileg, die Qualität eben dieser in Costa Rica zu überprüfen. Das Timing könnte zum Glück schlechter sein, denn wir befinden uns gerade auf dem Campingplatz zweier Schweizer, mit deren Hilfe schnell ein Termin gemacht ist. Ich werde sogar noch chauffiert, damit wir das Dachzelt nicht abbauen müssen und Ramona im Palmengarten Kokosnuss schlürfen kann. Ich dagegen stehe typisch deutsch morgens pünktlich in der Praxis. Die Zahnärztin jedoch nicht. Mit Spanisch und gebrochenem Englisch macht mir die Angestellte klar, dass sie jeden Moment eintreffen wird. Etwa 30 Minuten später ist es so weit – ein Arbeitsbeginn vor 10:00h wäre auch wirklich eine Zumutung. Pura Vida!
Weitere 40 Minuten später habe ich eine Zahnreinigung und die sehr gut gemachte Reparatur meiner Zähne hinter mir. Das Ganze kostet mich knapp 90 Euro. Jeder kann jetzt mal zu den Preisen und der Dauer von Behandlungen seines Zahnarztes in Deutschland Parallelen ziehen…
Den staubigen 3 Kilometer langen Rückweg muss ich leider zu Fuß bei 35 Grad im Schatten antreten. Während in meinen frisch gereinigten Zähnen schon die ersten Sandkörner knirschen, werde ich nach knapp 400 Metern schon erlöst. Der erste sich nähernde Wagen hält auf mein Zeichen hin an und nimmt mich mit. Auch hier können gerne mal Vergleiche zu einer ähnlichen Situation in Deutschland hergestellt werden.
Es zieht sich schon durch das ganze Jahr: egal, wo wir sind, immer wieder treffen wir andere Reisende, mit denen wir nicht nur schöne und gemütliche Abende verbringen, sondern die auch wertvolle Informationsressource für uns sind. Diesmal laufen wir im Schweizer Palmenhain Jens und Dominique samt ihrer zwei blonden Wuselchen über den Weg. Sie haben bereits mehrere Wochen mit dem Dachzelt in Costa Rica verbracht und werden daher von uns ausgequetscht. Und das äußerst erfolgreich! Sie sind ein Quell an guten Tipps und wir sind kurz davor, eine Provision für erfolgreiche Reiseplanung in Erwägung zu ziehen. Mittlerweile haben wir einen guten Riecher dafür, wem wir bei Hinweisen folgen können und wer eher nicht mit uns auf einer Wellenlänge ist. Jens und Dominique sind für uns diesbezüglich ein Volltreffer. Merci!
Sowohl im südlichen Afrika als auch in Costa Rica ist die Dichte an Schweizern auffallend hoch. Die wenigen Reisenden scheinen aus der Alpennation zu kommen. Langsam fragen wir uns, ob dort gerade überhaupt noch Schweizer anzutreffen sind… Es wird immer deutlicher, dass wir dem auf den Grund gehen und bald mal die teuerste Neutralität der Welt besuchen werden. Schön, dass wir Perspektiven haben.
Nach über vier Monaten im Dachzelt haben wir uns an die Nächte dort so sehr gewöhnt, dass das Bedürfnis nach einem „richtigen“ Bett gar nicht stark ist. Unser anvisierter Campingplatz bleibt vor Ort allerdings stark hinter seinem Internetauftritt zurück und daher kommt uns ein Buchungsportal (dessen Name „booking.com“ ich aus werberechtlichen Gründen nicht nennen darf) gerade recht. Spontan fahren wir zu einer Lodge in der Nähe und da die Preisverhandlungen nach dem Angebot bar zu zahlen durchaus erfolgreich verlaufen, beziehen wir unser Zimmer.
Premiere! Das erste Mal verlassen wir nach Sonnenuntergang unsere Unterkunft! Es gibt in Costa Rica zwar keine nächtliche Ausgangssperre mehr, aber wenn der Himmel bereits ab 18.30 Uhr pechschwarz ist, hat man in der Natur nicht mehr allzu viele Möglichkeiten. Für eine davon muss es aber richtig dunkel sein und wie für unsere Sternentour in Sutherland haben wir die Planungen an die Mondphasen angepasst. Jeder Esoteriker wäre stolz auf uns.
Im Dunkeln soll es mit dem Kajak aufs Meer hinausgehen. Das Wasser ist tiefschwarz und bis auf unsere Kopflampen herrscht doch arge Dunkelheit. Wir steigen in die Kajaks, werden schwungvoll ins Wasser geschoben und sind sprachlos! Sobald man das Paddel eintaucht, die Hände durch das Wasser streifen lässt oder mit Wasser herumspritzt, glitzert es überall! Das Wasser ist durchzogen von Algen, die bei Berührung blaugrün aufleuchten. Vor uns flüchten die Fische und zeichnen strahlende Torpedospuren in das dunkle Wasser. Am Anfang habe ich noch gedacht, dass über eine Stunde auf dem Wasser sicher locker ausreicht, um das Phänomen zu erkunden. Denkste! Nach dem Kajaken haben wir noch lange nicht genug und springen kurzerhand nochmal ins Meer. Oder genauer gesagt mitten hinein in einen Disney-Film. Wir bewegen uns irgendwo zwischen Cindrella, der Eiskönigin und Peter Pan.
Wie tausende Sterne strahlt das Wasser und über uns breitet sich zudem ein perfekter Sternenhimmel aus. Biochemie und Astronomie vereinen sich zu einer Symphonie der Lichtpunkte und lassen uns staunend genießen. Ramona hat den vorangegangenen Satz als „hart kirschig“ markiert, ich finde es poetisch und literarisch wertvoll. Lacht ihr nur alle!
Die Tour ist unsere erste Erfahrung mit Biolumineszenz, die wir nur allzu gerne festgehalten hätten. Allerdings merken wir schnell, dass unsere Fotokünste dem Schaukeln in der Dunkelheit nicht gewachsen sind und genießen das Naturschauspiel ganz analog. Profis dagegen schaffen wohl alles.
Nachdem wir die Komfortzone unseres Hotels aufgegeben haben, folgt im hoch gelobte Santa Teresa die Ernüchterung. Völlig überfüllt und durch die stark befahrene Schotterstraße im Ort äußerst staubig. Ich fühle mich ein wenig an die Skiorte in den Alpen erinnert mit dem Unterschied, dass hier an jeder Ecke Surfbretter statt Skiern vermietet werden . Dazu kommt, dass die Leute deutlich leichter bekleidet sind und jede:r, wirklich jede:r einen braun gebrannten Waschbrettbauch hat. Puh.
Nach eher unerfolgreichen Surfversuchen lassen wir den costa-ricanischen Skiort hinter uns und kämpfen uns über kurvige Schotterstraßen in die Abgeschiedenheit. Ein paar schöne Campingplätze haben wir auf unserer Reise schon erwischt, aber dass Niederländer tausende Kilometer von Zuhause entfernt einen der besten bereithalten, hätten wir so nicht erwartet. Gemütlich und mit warmen Duschen ausgestattet (ja, die muss man in Costa Rica erwähnen!) lässt es sich hier wunderbar aushalten.
Wir bekommen den Tipp, zu den Gezeitenpools der nahegelegenen Playa Miguel zu fahren. Unsere Gastgeber recherchieren für uns die richtige Zeit und unser einziger Beitrag ist, den Wecker passend zu stellen. Das meistern wir erfolgreich! So wellnessen wir mit 45er Sonnencreme auf den Schultern und mit Büchern bewaffnet in Ruhe vor uns hin, bis uns die eintretende Flut zum Rückzug zwingt.