Es beginnt die letzte Woche in Norwegen und so langsam müssen wir uns verschiedene Dinge eingestehen:

  1. Norwegen ist spektakulär und übertrifft unsere Erwartungen.
  2. Die Fahrtstrecken haben es durchaus in sich.
  3. Wir werden es wohl nicht schaffen, vier Wochen keinen Regentag zu haben.
  4. Es wird langsam ein wenig kalt im Zelt. Der Herbst zieht ein, die Nächte werden kälter und windiger.

Aber erstmal lassen wir uns von der Wettervorhersage nicht in Bockshorn jagen und ziehen nun langsam nach Süden auf die Lofoten. So ziemlich jeder, mit dem wir vor der Reise gesprochen haben, hat von den Lofoten geschwärmt. Selbst bezeichnen sie sich als die „Alpen des Nordens“.

Wir beziehen also unser Lager im Südwesten der Lofoten an einem Strand, an dem auch um diese Jahreszeit noch aktiv gesurft wird.

Die folgende Nacht ist, vorsichtig formuliert, laut. Also so in etwa Ohr-an-der-Box-in-der-Disko laut. Oder Düsenjet-im-Garten-geparkt laut. Der Wind peitscht so über das Zelt, dass an Schlaf fast nicht zu denken ist. Machen wir dementsprechend auch nicht. Am nächsten Morgen kommt erschwerend hinzu, dass es nun wirklich mal regnet. So wird uns ein Strich durch unsere Wanderpläne für diesen und die nächsten Tage auf den Lofoten gemacht.

Aber Aufgeben ist keine Option, also wird umgeplant. Wir beziehen ein kleines Zimmer in einer Hütte auf dem Campingplatz und tatsächlich werden wir belohnt. Ramona sehnt sich seit unserer Reise nach Island noch einmal und vor allem noch ausgiebiger nach Nordlichtern. In und um Tromsø war aufgrund des Wetters nicht daran zu denken. Doch jetzt zeigt die App eine gesteigerte Aktivität an und der Himmel reißt über dem Meer auf. Und auch wirklich nur dort. Über den Bergspitzen hängen die Wolken wie aufgespießt und lassen keinen Blick auf den Nachthimmel erhaschen.

Und dann geht es los… Die kommenden zwei Nächte schlafen wir noch weniger. Nicht weil der Wind an der Hütte rüttelt, sondern weil der Himmel grün leuchtet.

Nordlichter sind einfach wunderschön. Man kann es nicht anders beschreiben als atemberaubend. Erst entdecken wir nur einige kleinere Schlieren am Himmel, aber kaum stehen wir vor der Tür, werden sie immer stärker. Wild tanzen die Lichter über den Himmel. Leuchten auf, verblassen wieder und all das über dem Meer mit riesigen Wolkenbildern als Kulisse. Es ist ein Spektakel!

Trotz des schlechten Wetter wagen wir eine kleine Wanderung, um doch noch einen Blick auf die Lofoten von oben zu bekommen. Wir treffen ein gutes Zeitfenster und werden erst auf dem Rückweg wieder angeregnet. In Henningsvær, einem süßen kleinen Fischerdorf, reicht die Sonne dann sogar so lange, dass wir neben einem Bummel durchs Dorf und dem Entdecken von erstaunlich coolen Murals auch noch einen entspannten Kaffee trinken können. Bis ich Ramona zu Gunsten eines Welpen links liegen lasse.

Nach recht eintönigen Stunden auf der Fähre Richtung „Festland“ und einer kalten Nacht im Auto durchstreifen wir Bodø (oh Wunder, wieder bei Regen) und finden nochmal einige wirklich gelungene Wandmalereien aus der Neuzeit.

Nun müssen wir nach Trondheim wieder ordentlich Strecke abreißen, aber einen Abstecher lassen wir uns dabei nicht nehmen. Er führt uns zum Saltstraumen, dem stärksten Gezeitenstrom der Welt. Hier drückt oder wahlweise zieht das Meer viermal am Tag in eine breite Flussmündung. Dadurch entstehen gewaltige Strudel, die so stark sind, dass kleinere Fischerboote Gefahr laufen hinabgezogen zu werden, sollten sie zu nahe kommen. Fun Fact: In dieser Flussmündung wurde der größte Lachs mit einer Angel gefangen. 22,7 Kilo. Der geneigte Leser möge dieses Gewicht mal mit seinem Kleinkind oder Haustier vergleichen.

In Trondheim angelangt gehen wir zur Feier meines Geburtstages Essen. Ich überlege kurz, mir ein Bier zu gönnen, entscheide mich aber dann doch dagegen (9 Euro für 0,3l Carlsberg – so viel Genuss kann das gar nicht sein!). Aber mal nicht von Nudeln mit Pesto leben zu müssen, ist auch nicht so schlecht. Es gibt Sushi. Nicht gerade das klassische norwegische Essen, aber guten Fisch gibt es hier auf jeden Fall.

Trondheim ist nur eine kleine Zwischenstation auf unserem Weg in den Jotunheimen Nationalpark. Wir orientieren uns also mittlerweile wieder deutlich gen Süden und somit zum Ende unserer Norwegentour.

Ich hatte schon über die Fahrtage in Norwegen berichtet. Lange Strecken sind durchaus anstrengend. Nix Tempomat bei 150km/h und gib ihm. Daher versuchen wir die Tage möglichst aufzulockern und planen oft die Strecken ein wenig um. Das bedeutet unter Umständen Umweg, aber Abwechslung. Die Fahrtage von Trondheim nach Jotunheimen sind solche Beispiele. 280km, 4,5 Stunden und 290km, 6 Stunden. Boing.

Tag 1 führt uns zunächst den Atlantik entlang. Viele kleine und größere Brücken leiten uns über vorgelagerte Inseln und geben einen Eindruck davon, mit was für einer Naturgewalt man es hier vor allem im Herbst zu tun bekommen kann. Wir haben Sonnenschein und strahlend blauen Himmel. Ich sagte ja, nur einen Eindruck.

Wir unterbrechen die Fahrt dann auch für eine kleine Wanderung zur Trollkirka, einer – Achtung, Überraschung –  Trollkirche. Es ist eine wunderbare Herbstwanderung mit immer wieder kleinen Kletterpartien. Es sind Seile angebracht. Nichts war jemals so überflüssig. Nur Dank Kamerawinkel und herausragender schauspielerischer Leistung wird aus diesem Felsen und dem Seil eine vermeintlich herausfordernde Stelle.

Mit Stirnlampe und Handschuhen bewaffnet erkunden wir die stockfinstere Höhle am Ende der Wanderung, durch die das Wasser rauscht. Leider ein wenig zu viel, so dass wir nicht so nah an den Wasserfall herankommen, wie wir es uns eigentlich vorgestellt hatten. Aber eiskaltes Wasser und 11 Grad Außentemperatur reichen zur Abschreckung, es nicht weiter zu versuchen.

Fahr- bzw. strecken- und zeittechnisch ist Tag 2 nochmal ein wenig anstrengender. Wer unten an den Fjorden entlang fährt, der muss irgendwann auch wieder nach oben. Also in Serpentinen den steilen Berg hinauf. Solche Strecken findet man in Norwegen überall, aber wohl selten so spektakulär wie bei den Trollstigen.

Wir haben ja bislang noch kaum einen Fjord gesehen. Na gut, man fährt ständig an Fjorden entlang, über sie hinweg (Fähre) oder unter ihnen durch (ich gebe zu, dabei ist der Blick jetzt nicht wirklich gut). Aber jeder Reiseführer und jeder Reisende berichten vom Geirangerfjord. Also führt uns der Weg über die Trollstigen am Geirangerfjord entlang ins Hochland und weiter Richtung nach Jotunheimen.

Achso, der Geirangerfjord. Riesig, spektakulär, aber vor allem dadurch bekannt, dass er einfach sehr touristisch ausgebaut ist. Es gibt diverse Aussichtspunkte und sogar Kreuzfahrten halten hier. Zu erkennen an den höchst attraktiven Hotelbunkern im Ort Geiranger. Gigantisch ist er trotzdem.

Wir machen es so, dass wir uns ein bis zwei Tage vor unserem nächsten Stop eine Unterkunft bzw. einen Campingplatz suchen. Verschiedene Faktoren sind dabei entscheidend: natürlich die Lage, in heißen Ländern gerne auch mal, ob ein Pool oder in kalten, ob heiße Duschen dabei sind. Manchmal buchen wir dann vor, aber nach unseren Erfahrungen bekommt man auf Campingplätzen eigentlich immer einen Platz. Also fahren wir sie einfach an. Der Hauptfaktor für eine Übernachtungsmöglichkeit ist allerdings, ob er geöffnet hat. Und genau das gestaltet sich in Jotunheimen ein wenig schwierig. Offensichtlich sind wir Mitte September schon nicht mehr so richtig in der Reisezeit. Auf jeden Fall haben die ersten fünf Campingplätze, die wir anfahren, schon geschlossen.
Wir finden dann doch noch einen. Es ist mittlerweile 18.00 Uhr und unser Auto zeigt nur noch eine Außentemperatur von 4°C an. Ein Blick auf die Wettervorhersage: Nachts werden es -2°C. Im Zelt. Hm. „Entschuldigen Sie, haben Sie vielleicht auch eine Hütte?“ – „Ja?“ – „Top, die nehmen wir, zwei Nächte klingen gut!“

Nach einer warmen, kuschligen Nacht in der kleinen Holzhütte machen wir uns auf zu der vermutlich schönsten Wanderung, die wir in Norwegen gemacht haben. 14 Kilometer „Indian Summer“ in Norwegen. Mit senkrechter Kletterpartie und unfassbaren Farben. Norwegen hat, wie bereits erwähnt, leider den Nachteil, dass viele Wanderungen „One-Way“ sind. Man geht also zum Endpunkt und wieder denselben Weg zurück. Hier ist es endlich mal ein Rundweg und er hat es in sich.

Zunächst vom Start weg ordentliche Höhenmeter mit besagten vertikalen, aber gut machbaren Kletterpartien. Aber man sollte nicht zu große Angst vor Steilkanten haben und Abrutschen wäre auch eher so semi-gut. Je weiter es nach oben geht, desto genialer wird die Aussicht über die umgebende Hochebene und den auf 1000 Meter Höhe gelegenen See. Die Bäume und Bodenflechten haben sich orange, rot und gelb verfärbt und ich glaube, dass ich so ein Farbenspektakel noch nie gesehen habe.

Auf der Kammhöhe ballert der Wind dann amtlich über die Kuppe und schiebt selbst mich vor sich her. Hätte Ramona zu weite Kleidung an, könnte ich ihr vermutlich hinterher schauen, wie sie wegsegelt. Das tut dem Spaß aber keinen Abbruch, im Gegenteil. Als wir letztlich wieder am Auto ankommen sind wir k.o., aber richtig zufrieden mit dem Ende unseres Norwegenabenteuers.

Wir schließen also das erste Land unserer Weltreise ab und sind froh, dass wir sie hier begonnen haben. Natürlich wäre Australien auch toll gewesen, aber wann hätte man sich sonst schon mal vier Wochen Zeit dafür genommen. Norwegen ist wunderschön und unglaublich beeindruckend. Ich würde mich fast aus dem Fenster lehnen und sagen, dass Norwegen auf jeden Fall das spektakulärste Land in Europa ist.

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