Hallo Großstadt, hallo Kapstadt!
Wie sich so Pläne während einer Reise entwickeln können: ursprünglich hatten wir (sogar noch in Namibia) den Plan, Südafrika gegen den Uhrzeigersinn zu bereisen. Nach Intervention von Boris, einem erfahrenden Südafrika-Reisenden, haben wir uns jedoch entschlossen, unseren Roadtrip in zwei Routen zu teilen. Den Weg von Norden in den Süden, die Garden Route und Kapstadt auf der einen und Durban, Drakensberge, Kruger Nationalpark und Johannesburg auf der anderen Seite.
Inzwischen sind wir schon am Ende der ersten Route angelangt und uns erwartet eine airbnb-Wohnung mit Blick auf den Hafen. Vorher steht aber noch ein schwerer Termin an: wir müssen unseren Mietwagen abgeben. Die letzten 12 Wochen hat er uns brav und zuverlässig durch Namibia und Südafrika gebracht. Jetzt fällt uns die Vorstellung schwer, nicht abends ins Dachzelt zu kriechen, obwohl wir wissen, dass es nur ein Abschied auf Zeit ist. Und ehrlich gesagt schadet es nicht, dass er einen Service bekommt und vor allem die Reifen ersetzt werden. Knapp 14.000 Kilometer mit viel Schotterstraßen fordern ihren Tribut.
Anscheinend auch von uns, denn nachdem wir die Pflichtübungen wie Auspacken, Sortieren und Wäsche waschen erledigt haben, wollen wir uns unbedingt auf die Großstadt stürzen. Aber wie gesagt: Pläne entwickeln sich. Und so hängen wir erstmal einen ganzen Tag auf der Couch und auf dem Balkon rum, nutzen das (schnelle) WiFi, bis es glüht, und tun exakt gar nichts.
Bis in die Haarspitzen ausgeruht freuen wir uns auf ein absolutes Highlight! Wir wollten es schon lange machen, aber waren uns nie sicher, wo es sich wirklich lohnt. Je teurer der Spaß, desto größer der Ärger, wenn man am Ende enttäuscht davon ist. Dazu kommt es glücklicherweise nicht und wir sind von unserem Hubschrauberrundflug um, über und an Kapstadt vorbei völlig begeistert!
Es ist für uns beide der erste Hubschrauberflug und natürlich sind wir ein wenig aufgeregt. Werde ich mit dem Kopf im Rotor hängen bleiben, bringen wir die Kamera wieder mit zurück oder bin ich vielleicht zu schwer und darf nicht mitfliegen? All diese Sorgen zeigen sich unbegründet und schon beim Start sind wir gefangen. Oder spätestens in dem Moment als unser Pilot ganz nebenbei erklärt: There are two whales. 10 o’clock. – Bidde what? Es ist gar keine Walsaison und wir sind sprachlos. Wale! Und so groß, dass wir sie aus dem Hubschrauber mit dem bloßen Auge perfekt beobachten können! Es muss sich also mindestens um Blauwale handeln.
Unser Fluggefährt hat keine Türen und so stört kein Glas den Blick auf diese fantastische Stadt, die sich zwischen Tafelberg und Meeresküste schmiegt. Der strahlend blaue Himmel gewährt uns eine Perspektive, die vermutlich süchtig macht. Wir sind uns auf jeden Fall sicher, dass wir nun gerne in New York, London, München, Rio de Janeiro und und und einen Rundflug machen möchten. Und eigentlich nicht nur über Städten, sondern vielleicht auch über dem Grand Canyon oder dem Okavango Delta.
Selbst die wenigen Tage als Touristen zeigen uns, dass Kapstadt wahnsinnig divers ist. Nicht nur leben Schwarz, Weiß und Coloured hier teilweise miteinander, sondern leider oft nebeneinander her. Schon beim Flug konnten wir Kontraste, welche die Stadt ausmachen, von oben erkennen. Neben riesigen Villen, privaten Teichen und abgeschotteten kleinen Wohnanlagen stehen Blechhütten eng an eng und die Townships erstrecken sich kilometerweit. In vermeintlich gefährlichen Gegenden finden sich coole Läden, eine aufkommende Kunstszene und viele gute Projekte, die durch Covid leider sehr ausgebremst werden.
Wir unternehmen mit Sipho, einem jungen Fotografen, einen Spaziergang durch seinen Stadtteil. Während er uns die wunderschönen Streetart an den Wänden zeigt, werden wir von einem Mann angesprochen, der uns unbedingt das Mural an seinem Haus zeigen will. Die Bewohner sind stolz darauf, dass ihr Stadtteil das Zentrum der lokalen Kunstszene geworden ist. Und wir sind froh, dass wir Sipho kennengelernt haben. So müssen wir Ramonas geliebten Gin vor dem Flug nach Durban nicht in der Wohnung zurücklassen, sondern können ihn noch in gute Hände weitergeben.
Streift oder radelt man ohne ortskundige Begleitung durch die Stadt, trifft man auf viele Menschen, die einen ansprechen und fragen, wo man herkommt. So ganz lässt es sich wohl doch nicht verheimlichen, dass wir Touristen sind. Gerne endet ein Gespräch mit der Frage nach ein wenig Kleingeld, aber aufdringlich wird selten jemand und bedrohlich wird es für uns nie auch nur ansatzweise. Zumindest was die Begegnungen angeht – mehr Gefahren bergen für uns die Mietfahrräder. Zwar ausgestattet mit einer Klingel und zwei Reifen, haben sie jedoch keine Gangschaltung, keine Vorderbremse und nur eine mehr oder minder durch Anwesenheit glänzende Rücktrittsbremse. Waghalsig rollen wir trotzdem eine, auf der Karte zum Absteigen markierte, Straße hinunter und überleben.
Jedes Land wird durch seine Geschichte geprägt, Südafrika und damit auch insbesondere Kapstadt sind da keine Ausnahme. Die Apartheid ist ein Thema, das Südafrika nachvollziehbarerweise auch weiterhin beschäftigt. Obwohl die „Born-Free-Generation“ die Chancen des „neuen“ Südafrikas für sich zu nutzen versucht und dadurch eine motivierte Generation mit weniger Bezug zur Apartheit heranwächst, ist dieser dunkle Teil der Geschichte für das Verständnis des Landes elementar.
Neben den modernen Stadtvierteln besuchen wir deswegen die Gefängnisinsel Robben Island, auf der 27 Jahre lang Nelson Mandela und mit ihm viele weitere politische Gefangene festgehalten wurden. Die Führung von einem ehemaligen Gefangenen ist eindrücklich und bedrückend. Vieles, vor allem das damals verbreitete Gedankengut der Rassenungleichheit, erinnert stark an die deutsche Geschichte. Dass die Apartheid bis 1994 anhielt, ist erschreckend und gleichzeitig Mahnmal, dass rassistisches Gedankengut nicht ein kurzes Intermezzo am Anfang des 20. Jahrhunderts war.
Nach einer Woche Kapstadt fühlen wir uns in der Stadt wieder richtig wohl. In einer Großstadt unterwegs zu sein, eine Wohnung mit Balkon, Essen gehen, schlendern und shoppen, blauer Himmel, fast fühlt es sich an wie Zuhause.
Da bildet ein Picknick zum Sonnenuntergang mit Tom und Anne, die wir kurz vorher in einem Cafe kennengelernt haben, den perfekten Abschluss einer sehr runden Woche im wirklich tollen Kapstadt.
Ein Kommentar