Eine Woche waren wir getrennt, nun sind wir endlich wieder vereint. Wer hätte gedacht, dass einem ein Mietwagen derart ans Herz wachsen kann? Doch da steht er in all seiner Pracht und tatsächlich mit neuen Reifen! So schön die Woche in Kapstadt war, so sehr freuen wir uns jetzt wieder auf unser Dachzelt. Leider scheint es, als hätten wir für den Nordosten ein etwas schlechtes Timing. Während es bei unserer Landung noch 34 Grad hat und die Sonne strahlt, erfahren wir gleich am ersten Campingplatz, dass ein Zyklon die Küste von Mosambik getroffen hat und jetzt in unsere Richtung unterwegs ist.
Wie der Zufall es will, ist genau dieser Campingplatz durch einen kleineren Berg geschützt und so merken wir von dem Sturm über Nacht nahezu nichts. Dafür allerdings die nächsten Tage: das Wetter schlägt um und wird sehr wechselhaft. Nun kommen wohl viele Kilometer auf uns zu. Die eigentlich geplante Route können wir nicht fahren und so wird Zickzack daraus. Zickzack in Südafrika bedeutet für uns leider 4-6 Stunden-Fahrtage. So sehr wir das Dachzelt und die damit verbundene Freiheit genießen, so birgt solches Reisen einen riesigen Nachteil: Regentage. Da wir nicht wie die Südafrikaner mit unserer Zeltburg unterwegs sind, haben wir keine Möglichkeit uns im Trockenen aufzuhalten und hoffen immer auf einen überdachten Bereich am Campingplatz. Wind und Regen machen es allerdings auch da irgendwann ungemütlich. Dann kommen wir zumindest abends zeitig ins Bett.
Wechselhaft bedeutet ja nicht nur Regen, sondern zu unserer großen Freude ebenso Sonne. Und die nutzen wir ausgiebig, bestaunen die Oribi-Gorge sowohl von oben als auch unten. Unsere Wanderung in die Schlucht führt uns bei 98% Luftfeuchtigkeit durch den Urwald, immer einen kleinen Fluss entlang. Bereits nach wenigen Metern sind wir, obwohl die Wanderung an sich nicht anstrengend ist, komplett durchgeschwitzt. 30 Grad und die feuchte Luft leisten ganze Arbeit. Nach einigen Kilometern öffnet sich der Weg und eine Lichtung mit einem Wasserfall tut sich auf. Was eine Belohnung! Völlig alleine im natürlichen Schwimmbad werden die Badeklamotten nur für die Fotos angezogen.
Nach unserem Abstecher in die Sommerhitze suchen wir uns etwas wetterunabhängiges und landen in einem kleinen Game Reserve. Dort regnet es zwar ein wenig, aber das stört beim Tieresuchen nicht wirklich. Denken wir zumindest, bis wir merken, dass die Wege und Pfade lehmig und somit unsere Reifen nach kürzester Zeit quasi profillos sind. Ich fahre gefühlt wie auf einer Eisfläche. Auf einem kleinen Damm wird uns genau das zum Verhängnis. Kaum komme ich 20 cm zu weit nach links, beginnt der Wagen die steile Kante hinunter zu rutschen. Wenige Meter weiter kommt der Hilux zum Stehen bzw. mit dem Unterboden auf und wir können mehr oder minder gefahrlos aussteigen. Es zeigt sich schnell: wir haben wirklich Glück gehabt. Grob geschätzte zehn Zentimeter weiter nach links und wir hätten uns überschlagen.
Zu unserer Hilfe rücken acht Mann, ein Traktor und zwei Landrover mit Seilwinden an. Wir warten und beobachten, wie das Dach des Traktors hinter dem hohen Schilf immer näher kommt, bis sich plötzlich nach einigen Minuten nichts mehr tut. Also erstmal alle hin und schauen, was los ist: er ist ganz knapp davor sich festzufahren und beim anschließenden Schwungholen kurz vor dem Kippen. Das fängt ja gut an.
Anschließend beginnt die Bergungsaktion unseres Hilux eher gemütlich mit ratlosen Gesichtern und fachmännischen Planungen. Wir entscheiden uns, bei allen Versuchen das Auto vorsichtshalber durch Manneskraft zu sichern und hängen uns in die Seile. Wie nicht anders zu erwarten, reichen die kombinierten Ingenieurfähigkeiten und unsere unfassbare Kraft aus. Nach gut drei Stunden, diversen Rettungsvarianten und Beinahe-Überschlägen sind wir wieder frei. Bis auf ein unsäglich dreckiges Auto bleiben keine Blessuren zurück und wir verbuchen das Erlebnis als „abenteuerliche Erfahrung“. Aber ich will ehrlich sein: in dem Moment, als der Wagen zu rutschen begann, habe ich mich so sehr erschrocken wie schon lange nicht mehr. Zuletzt vielleicht bei Tim Wieses unnötiger Rolle gegen Juventus.
Die Nase voll von der Aufregung gönnen wir uns jetzt, die eigentlich schon vorher erwartete, Safari im größten Game Reserve Südafrikas. Game Reserves unterscheiden sich von Nationalparks dadurch, dass sie privat geführt sind, wohingegen Nationalparks in staatlicher Hand liegen. Das ändert im Kern nichts, aber ich habe hier ja zusätzlich einen Bildungsauftrag.
Neben klassischen Game-Drives ist das größte Highlight im Hluhluwe-Imfolozi Park unser erster Game-Walk. Ganz entspannt stehen wir um 04.45 Uhr auf, denn der Walk beginnt schon um 05.30 Uhr. Ausschlafen wird in der Tierwelt völlig überbewertet, da muss man sich dann eben anpassen. Obwohl das bedeutet, dass man sich beim Klingeln des Weckers fragt, was man sich bei der Buchung eigentlich gedacht hat. Aber was muss, das muss. Zuhause müssten wir ja auch früh aus den Federn und die Aussicht auf Wildtiere ist doch eine andere als auf einen langen Arbeitstag.
Gemeinsam mit einem Ranger fahren wir in die Wildnis und steigen direkt neben fünf Giraffen aus. Der Ranger mit Gewehr und wir mit Kamera und GoPro bewaffnet wandern wir im Gänsemarsch über die Steppe, durch die Sträucher und Bäume. Bisher haben wir Safari nur im eigenen oder im Game-Drive-Fahrzeug unternommen. Zu Fuß unterwegs zu sein, ist jetzt eine völlig andere und ungleich spektakulärere Situation. Noch nie waren wir Giraffen, Büffeln, Gnus und Antilopen so nah! Als die Herde Büffel sich dann offenbar von uns aufgeschreckt in Bewegung setzt und die Erde zu vibrieren beginnt, werden wir uns bewusst, wie schwierig es werden könnte, unbeschadet einer Horde 900kg schwerer Büffel unverletzt auszuweichen. Doch sie entscheiden sich im letzten Moment für die entgegengesetzte Richtung. Als wir in rund 300 Metern Entfernung die Hyänen heulen hören, ist es schon beruhigend, einen Ranger dabei zu haben. Ständig versuchen wir uns bewusst zu machen, dass hinter jedem Strauch oder im hohen Gras eine Überraschung warten könnte. Zwischenzeitlich vergisst man es trotzdem und wandert frohen Mutes hinter dem Ranger her. Erst seine schnelle und sehr bestimmte Reaktion, als wir auf einmal etwa 20 Meter von einer Nashornkuh und ihrem Kalb entfernt stehen, holt einen in die Realität zurück. Was folgt ist ein zügiger, aber geordneter Rückzug mit ordentlich Puls.