Bisher haben sich unsere Eindrücke von Mayastätten konsequent gesteigert: vom überlaufenen Chichén Itzá, zum kleinen, aber feinen Edzna bis hin zum beeindruckenden Uxmal. Was uns dabei immer noch fehlt, ist ein Blick von oben. Daher müssen wir eine Entscheidung treffen: fahren wir über sechs Stunden Umweg nach Palenque oder hängen wir uns in die Hängematte? Mit etwas gutem Zureden und Argumenten wie „Wir können da auch bei Mexikos schönsten Wasserfällen baden!“, „Wird dir nicht bei tagelangem Faulenzen nur langweilig?“ und „Vielleicht sehen wir von oben ja Faultiere oder Papageien!“ hat Ramona mich schließlich überzeugt. Wir fahren wieder nach Chiapas. Der Staat gehört zu den ärmsten des Landes und hält daher immer wieder Roadblocks für Reisende bereit, hinter denen man ein paar Pesos weniger im Auto transportieren muss. Ganz so leicht ist das Passieren laut Berichten auf der direkten Verbindungsstraße zwischen Palenque und San Cristobál de las Casas nicht, sonst hätten wir die Mayastätte bereits besichtigt und uns die Entscheidung erspart.
Trotz unzähliger Podcast- und Musik-Downloads zieht sich für uns der Weg nach Palenque. Die Streckenbaumeister haben offensichtlich beschlossen, mit möglichst wenig Kurven auszukommen. Ich sag mal so, sie haben ihr Ziel erreicht, aber die Strecke macht das nicht wirklich spannender. Bis auf eine gigantisch große Kontrollstation, an der uns keiner kontrolliert und das eine oder andere Schlagloch erleben wir absolut nichts. Aber was tut man nicht alles dafür, um früh morgens im Dschungel zwischen den Pyramiden zu stehen? Mystisch liegen die Wolken zwischen den Baumwipfeln. Brüllaffen, Papageien und vermutlich auch ein Jaguar bilden die Soundkulisse. Leider stellen wir erst vor Ort fest, dass man auch hier die Pyramiden nicht mehr besteigen darf und wir hadern, ob wir mit der langen Fahrtstrecke wirklich die richtige Entscheidung getroffen haben. Nach einer Stunde ist das sehr kleine Areal erkundet und wir bewegen uns im Laufschritt zum Wagen. Waren wir in Uxmal noch stolz, haben wir hier wieder das Moskito-Repellent vergessen. Ein Lernerfolg hat sich auch nach 1000 Stichen nicht eingestellt. Man könnte auch sagen, die Herdplatte war nicht heiß genug.
Je länger wir in Palenque bleiben, desto mehr entkräftet es Ramonas Argumente. Weder gab es einen spektakulären Blick über den Urwald, noch darf ich bei den Agua Azul-Wasserfällen baden, sondern langweile mich doch ein wenig bei schlechtem Internetempfang in der Hängematte. Zur Erklärung ist es wohl an der Zeit darauf hinzuweisen, dass sich die Regenzeit unerbittlich nähert. Ist es am Tag noch drückend heiß, öffnen sich nachts plötzlich alle, aber wirklich alle Himmels-Tore. Unser Auto bekommt die dringend benötigte Dusche und aus dem Rasen des Hostels werden Wasserpflanzen. Hatten wir in Costa Rica noch Glück, den Wasserfall des türkisblauen Río Celeste bewundern zu können, kommt jetzt wieder das Sedimente-Thema hoch. Wie uns berichtet wird, wird das Wasser nach starken Regenfällen von blau zu braun. Unter Fachleuten spricht hier man vom AfD-Prinzip.
Aber so ganz geschlagen gibt sich Ramona nicht leicht und wie durch ein Wunder zaubert sie einen anderen Wasserfall aus dem Ärmel. Eine Nacht ohne Regen später können wir sagen: Palenque war den „kleinen“ Hängemattenalternativabstecher wert.
Zurück auf der Yucatán-Halbinsel wagen wir den letzten Versuch, eine Mayastätte von oben zu sehen. Und siehe da! Endlich ist der Reiseführer mal aktuell und in Calakmul dürfen wir die Pyramiden erklimmen.
Sagte ich „dürfen“? Spätestens bei der zweiten Pyramide wird daraus ein „Echt? Noch eine?“. Es hat mindestens 36°C, der Himmel ist (ganz getreu der bereits erwähnten Regenzeit) wolkenlos und die Luftfeuchtigkeit liegt bei rund 97% oder mehr. Aber Ramona ist unerbittlich. Obwohl uns der Schweiß aus allen Poren dringt, steigen wir auf jede Pyramide. Egal, ob die zuvor höher war und vielleicht schon einen besseren Blick geboten hat – woher soll man das von unten schon wissen?
Als wir abgekämpft unter dem wohlverdienten Schatten der Bäume zum Auto schlendern, ruft uns ganz aufgeregt ein Mitarbeiter zu sich. Beim Reinigen der Wege hat er einen kleinen Tamandua entdeckt und freut sich so über die seltene Begegnung, dass er uns unbedingt daran teilhaben lassen möchte.
Nachdem nun alle Maya-Stätten-To-Do’s für uns erledigt sind, widmen wir uns wieder den, in Mexiko allgegenwärtigen, Hängematten. Die Lagune von Bacalar ist dafür wie geschaffen, hält sie doch ganz besonders schöne, bunte Exemplare für uns im Wasser bereit. Gegenüber bedrohlichen Wolken haben wir eine gewisse Resilienz entwickelt und lassen uns nicht so leicht einschüchtern. Es bleibt bei Drohgebärden, den Mumm uns zu verscheuchen, hat das Wetter dann (noch) nicht.
Tiefenentspannt wie wir nun sind, bringen uns auch die Tage in Tulum nicht aus der Fassung. Dort schüttet es wie aus Kübeln und an einen Ausflug ans Meer, zu Cenoten oder vielleicht doch noch zu einer Mayastätte ist nicht zu denken. Zum Glück verbringen wir hier nicht wie viele US-Amerikaner unseren maximal 6-tägigen Sommerurlaub. Trockenen Fußes kommt man gerade nirgends hin und selbst wenn der Regen nachlässt, liegen an den Stränden Tonnen voller Seegras. Da lob ich mir den Sommerurlaub in Italien.
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