Das Tor zur Leere
Wir wollen unseren persönlichen Hitzerekord von gut 47°C im Death Valley toppen und unbedingt noch einen der heißesten Orte der Welt betreten. In der Wüste Dasht-e Lut, was übersetzt in etwa „leere Ebene“ bedeutet, wurden 2016 sage und schreibe 78,2°C gemessen!
Leider eignet sich unser winziger Mietwagen trotz Maltes unerschrockenen Fahrkünsten nicht gerade für ein Wüstenrennen á la Oman. Wir buchen deshalb vorab online eine Wüstentour, die Abenteuer und sogar eine Übernachtung in den Dünen verspricht. Voller Vorfreude erzählen wir in unserem Hotel in Kerman von der bevorstehenden Tour und werden ganz schnell wieder zurück auf den Boden der Tatsachen katapultiert. Die Veranstalter sind in Kerman berüchtigt, wir sollten ihnen auf keinen Fall so viel Geld bezahlen. Sie würden nur mit nicht-geländefähigen Autos fahren und so viele Leute wie möglich in einen Kleinbus quetschen. Oh je! Auf der Teerstraße die Wüste durchqueren könnten wir ja auch mit unserem Auto und dann wenigstens zu zweit…
Unser Hotelier bietet uns an, für uns zu stornieren und dafür eine andere Übernachtung in der Wüste zu organisieren. Er kennt da jemanden. Hm. Also was soll’s – die Tour ist noch nicht bezahlt, also haben wir nichts zu verlieren.
Auf einen Zettel malt er uns auf, wohin wir fahren sollen und rät uns, möglichst früh morgens zu starten. Hitze und so. Dachten wir zumindest.
Als wir nach unserer Nacht in der Wüste wieder zurückkommen, erzählt er uns, dass er uns aus Vorsicht vor den Tourguides so früh losgeschickt hat. Die sind nämlich trotz Stornierung am Hotel aufgeschlagen. Haben ihn bedrängt zu verraten, wo wir statt ihrer Tour übernachten und Erstattung gefordert. Er tut die ganze Angelegenheit lachend ab und meint, das würde ihnen recht geschehen. Wir sind uns da nicht ganz sicher. Vielleicht war unsere Absage doch zu kurzfristig und wir haben die Guides in die Bredouille gebracht. Das schlechte Gewissen hält allerdings nur solange an, bis unsere Smartphones wieder im WLAN eingewählt sind. Uns erreichen mehr als beleidigende Nachrichten, die tief unter die Gürtellinie zielen.
Wir haben also in allen Punkten gewonnen: wir hatten eine unglaubliche Nacht in der Wüste, die nur einen winzigen Bruchteil der organisierten Tour gekostet hat.
Was der Tourguide nicht weiß, macht ihn nicht heiß.
Wir verbringen die Nacht bei Mostafa und seiner liebevollen Familie in Shafiabad. Wir werden dort nach Strich und Faden verwöhnt: wir können im Schatten faulenzen, werden mit Obst und leckerstem iranischen Essen versorgt und Mostafa wäscht sogar noch unser Auto. Auch wenn das für den Rückweg durch die Ausläufer der Wüste nur bedingt zielführend ist.
Wenn ihr nach Shafiabad kommt, grüßt Mostafas Familie herzlich von uns und bringt viel Zeit mit. Seine Frau lässt euch erst gehen, wenn sie euch alle Einträge ihres Gästebuchs zeigen konnte.
Golden Hour
Vor dem Abendessen haben wir noch Zeit und können Mostafa mit unserem eigenen Auto ein Stück in die Wüste folgen. Dort sehen wir dann auch das erste Mal die besagten „Touribusse“. Kleinbusse mit 6-8 Touristen bepackt, die wirklich nur auf festgefahrenen Wegen kurze Abstecher von der Teerstraße machen können. Sind wir heilfroh, dass wir nicht auch dort eingepfercht sitzen.
Wir laufen einige hundert Meter durch den Sand – weg von den Gruppen, die sich gegenseitig im Bild stehen. Wir genießen für uns alleine den Sonnenuntergang und bestaunen die bizarren Formen der Wüste.
Nach einer kurzen, heißen Nacht (ja, dort kühlt es wohl nicht wie in anderen Wüsten nachts ab) fahren wir im Morgengrauen mit Ahmad, dem Sohn der Familie, in die Wüste. Und zwar mit seinem Allrad über Dünen, ohne andere Menschen und mitten in die Stille der Wüste.
Während wir den Sonnenaufgang bestaunen, möchte uns Ahmad annähernd ohne Englischkenntnisse, dafür mit ungebremster Motivation und Freude, unbedingt erklären, wie die Formen der Wüste zustande kommen. Mit Hilfe des Reiseführers, seinen Gesten und dem Internet sind wir inzwischen schlauer: die stromlinienförmigen Kalksteinfelsen, Yardangs oder persisch Kalouts genannt, werden durch den immer aus einer Richtung wehenden Wind „abgeschliffen“. Weltweit sind Kalout-Felder in diesem Ausmaß nur hier zu finden und deswegen auch eine der UNESCO-Welterbestätten des Landes.
Egal ob die Namibwüste in Namibia, Wahiba Sands in Oman oder die Wüste Lut. Kaum jemand hätte es besser sagen können als Antoine de Saint-Exupéry:
Hallo ihr zwei,
Wir sind gerade im iran und überlegen mit unserem Defender in die Wüste zu fahren. Wisst ihr, wie man Kontakt zum Hotelier aufnehmen könnte um ebenfalls bei Mostafa einzukehren ? Wann habt ihr die Tour gemacht und war damals schon die Genehmigung zwingend notwendig?
Viele liebe Grüße ind danke schonmal vorab!