Wir lassen Stavanger links liegen und ich bin Ramona so lange in den Ohren gelegen, bis wir das erste Mal wild campen. Wir finden nach ein wenig Mühe einen schönen Platz mitten im Wald und haben von dort nur einen kurzen Weg zu unserer nächsten Wanderung. Diese gestaltet sich allerdings ordentlich steil und wir ziehen gefühlt alle 10 Meter immer mehr Klamotten aus. Der Ausblick und der Sonnenuntergang vom Himakånå entschädigen allerdings für den Schweiß. Ein Gefühl, dass wir in Norwegen noch öfter haben werden. Immer wieder geht es enorm steil hoch und unsere Wanderungen in den Alpen kommen uns regelrecht entspannt vor.
Vor uns liegt ein langer Fahrtag. Also primär vor mir. Also Zelt abgebaut und auf gehts. Auf dem Weg nach Kinsarvik passieren wir diverse schöne kleinere Aussichtspunkte. Manchmal bedeutet ein Land entdecken auch, dass man sich die Infotafel genau anschauen muss. Wir sind am Svandalsfossen schon fast wieder im Auto, als Ramona entdeckt, dass der Wasserfall auf der Infotafel deutlich spektakulärer aussieht, als wir ihn im Auge haben. Dann halt doch die Stufen hoch und schwupps, richtig schön ist er. Und so grün! Und natürlich sind wir alleine.
Wie bereits gesagt, haben wir uns vorgenommen das Jahr nicht durchzurennen. Wir haben mittlerweile schon einige Roadtrips gemacht und wenn man nur eine gewisse Anzahl Urlaubstage zur Verfügung hat, dann möchte man natürlich das Maximum aus den Wochen herausholen. So lässt sich, unserer Meinung nach, aber keine Weltreise gestalten. Dafür ist die Zeit einfach zu lang. Also nehmen wir in Kauf unter Umständen in Länder zurückkehren zu müssen (welch grauenvolle Vorstellung), um „die Reste aufzukehren“.
Der vorangegangene Absatz ist eigentlich nur die Rechtfertigung für die kommenden Tage, in denen wir annähernd nichts tun. Wir finden zufällig einen Campingplatz, der einen Pool hat. „Mikkelparken Ferietun“ heißt der Spaß. In der Hauptreisezeit und ohne Corona muss es sich um einen Platz in der Hölle handeln. Der Campingplatz ist umgeben von Wohnungen und Ferienhäusern. Diese sind maximal 2 Meter auseinander. Und dazu gehört ein Freizeitpark auf der anderen Seite der Straße und übermenschlich große Comicfiguren.
Neben uns halten sich dort jedoch nur etwa zehn andere Menschen auf und den beheizten Pool nutzt außer uns keiner. Jackpot.
Einzig kleiner Dämpfer: Die etwas redseligen nordrhein-westphälischen Rentner, die sich strategisch clever zwischen Pool, Küche und Duschräumen positioniert haben und so jegliche Möglichkeit, einen Weg ohne ein längeres Gespräch zu gehen, unterbinden.
Bei 20°C und strahlend blauem Himmel können wir uns (Ramona schweren Herzens) vom Pool trennen und starten eine weitere Wanderung. Dafür aber auch mit vier Wasserfällen auf einen Streich. Einer schöner als der andere. Es geht immer weiter hinauf und ich wandere in T-Shirt und kurzer Hose. In Norwegen. Wer hätte das gedacht? Es ist so warm, dass ich schwitze. Dies nutzen zwei freilaufende Schafe und missbrauchen meine Beine als mobile Salzlecke. Nachdem man sich gütlich getan hat, setzen die beiden ihren Weg fort. Ich fühle mich ein wenig benutzt.
Beim Versuch die Wassertemperatur zwischen den Wasserfällen zu überprüfen (saukalt), rutsche ich dann mit den Füßen voran in den Fluss. Also nasse Füße bis zum Ende der Wanderung. Da ist man über das warme Wetter gleich noch ein wenig dankbarer.
Weil wir so tapfer gewandert sind, belohnen wir uns mit einem weiteren Tag am Pool. Der Blick auf die Wettervorhersage lässt uns auch unsere Pläne ändern. Ursprünglich wollten wir die Küste hinauffahren und so nach Trondheim gelangen. Wir verschieben das auf den Rückweg und versuchen erstmal zügig in den Norden zu kommen und so der drohenden Schlechtwetterfront davon zu fahren.
Ein Roadtrip findet per Definition auch viel auf der Straße statt. Norwegen macht da keinen Unterschied. Um so schöner ist es, wenn der Weg zum Ziel wird. Passend dazu eine Lebensweisheit: Unverhofft kommt oft! Und beides trifft zu. Ich verfahre mich. Also streng genommen werde ich von Ramona falsch dirigiert, aber wer will schon so kleinlich sein. Letztlich durchfahren wir aber so einen der größten Nationalparks in Norwegen. Dabei geht es über eine wunderbaren Passstraße an Gletschern, den dazugehörigen Seen und kargen wie schönen Landschaften vorbei.
Hatten wir gesagt, es wäre so schön warm? Wandern mit kurzer Hose und so? Also hier oben ist es eher mies kalt und windig. Aber eben trotzdem schön.