Vancouver
1 Stunde Anfahrt zum Flughafen + 2 Stunden Vorlauf + 11 Stunden Flug + 1 Stunde bis zum AirBnB in Vancouver. Wir wollen uns nicht beschweren, wir haben es uns selbst ausgesucht, aber Fazit der Anreise: Unser neues Reiseziel ist schon wirklich weit weg.
Aber ich will anders anfangen, denn vor dem wohlverdienten Schlaf im AirBnB steht die Einreise nach Kanada. Wir hatten online bereits das ETA-Visum beantragt (und innerhalb von fünf Minuten bestätigt bekommen) und so müssen wir vor Ort nur noch selbstständig am Automaten unsere Pässe scannen, ein Beweisfoto anfertigen und uns fast schon beeilen, denn die Gepäckstücke laufen schon vom Band. Mit dem Equivalent zur Münchner S-Bahn sind wir nach 21 Minuten in der Innenstadt. Pünktlich, ohne Zugausfälle, aber auch oberirdisch. Nicht alles ist woanders besser, aber manche Sachen eben schon.
Nach einem vorzüglichen Abendessen fallen wir tot ins Bett. Und schlafen doch tatsächlich bis drei Uhr morgens. Dann sind wir wach. Neun Zeitzonen machen sich dann doch bemerkbar und so schlägt der Jetlag trotz Müdigkeit erbarmungslos zu. Einige tausend Schäfchen später schlafen wir dennoch wieder ein und schaffen es bis in die sehr frühen Morgenstunden, bis uns der Hunger nach Vancouver Downtown treibt.

Nach einem ausgiebigen Frühstück im „Jam Café“ mit nordamerikanisch fluffigen Pancakes erkunden wir Vancouver und besorgen uns bei Rodgers eine SIM-Karte. Wer hätte es gedacht, Deutschland ist nicht Spitzenreiter – es geht noch teurer. Aber irgendwie haben wir das Gefühl, dass sich das durch die ganze Reise ziehen wird. Außer bei Patagonia oder North Face. Die Chance müssen wir eindeutig nutzen.
Es zeigt sich, Vancouver ist eine offenbar sehr lebenswerte Stadt und München sollte, nein muss sich ein Beispiel an dem Fahrradstraßennetz nehmen. Breite, leuchtend grün markierte Fahrradwege säumen den Straßenrand, oft durch Steinpollern vom restlichen Verkehr abgetrennt oder machen glatt aus einer ehemals zweispurigen Straße kurzerhand eine Einbahnstraße. Es gibt für uns keine bessere Idee, um die Stadt unsicher zu machen, denn klassische Sehenswürdigkeiten sind rar und weit von einander entfernt.
An den meisten Ecken präsentiert sich uns Vancouver sauber und aufgeräumt, wirkt wie eine wohlhabende Stadt. Und dann stolpert man plötzlich alle 100 Meter über eine Gruppe Obdachlose und Drogenabhängige in einer Hochglanzstraße. Eine so offene Hartdrogenszene habe ich noch nicht gesehen. Völlig ungehemmt machen sich die Menschen mitten auf den Gehwegen ihre Crackpfeifen und Fentanylspritzen fertig oder liegen zusammengesackt im Drogenrausch in einer Ecke. Wir haben keinerlei Konflikte mit ihnen, gefühlt ist es ein gegenseitiges Ignorieren mit einem gewaltigen Kulturschock unsererseits.



Nach zwei Nächten verlassen wir Vancouver mit unserem gemieteten Wohnmobil der kleinsten Kategorie (6,80 lang, 3,40 hoch, mit Gasherd, -ofen, -heizung, Klimaanlage und Dusche sowie Toilette). Für unsere Verhältnisse völlig neue Umstände – für die Kanadier:innen eine eher winzige Fortbewegungsmöglichkeit. Wir haben ja schließlich nicht mal ein zweites Auto am Wohnmobil hängen. Ebenso ungewöhnlich ist für uns der erste Einkauf im gigantischen Walmart. Ich entscheide mich gegen den Kauf eines Bootes und wir bleiben bei den Lebensmittelbasics.


Vancouver Island
Vancouver Island findet für uns erst am Ende unserer Rundreise statt. Wir setzen mit der Fähre nach Nanaimo über und beginnen dort unseren „Kurztrip“ von drei Tagen über Vancouver Island.
Rückblickend vielleicht ein wenig zu kurz, denn so werden es doch recht lange Fahrtage bis zu unserem Wendepunkte in Telegraph Cove, ein kleiner Fischerort, der mittlerweile aber mehr vom Tourismus lebt. Obwohl wir in der Hauptreisezeit dort sind, ist wenig los. Aber wenn man ehrlich ist, dann sind wir nur aus einem Gründen auf Vancouver Island: der Grizzly Tour. Wir haben lange überlegt, ob wir es wagen sollen: sowohl der stolze Preis als auch die Times-New-Roman-Website stehen den wahnsinnig guten Rezensionen gegenüber. Mit nur ca. 30 Plätzen pro Tag und unserer leider eng gefassten Route müssen wir die Entscheidung bereits Monate vorab treffen. Und haben es keine Sekunde bereut.
Nachdem um 05.30 Uhr der Wecker geklingt hat, fahren wir mit einem kleinen Boot zwei Stunden lang tief zwischen die Inseln östlich von Vancouver Island. Und es lohnt sich. Über mehrere Stunden sehen wir verschiedenste Grizzlys an die wir tatsächlich bis auf 50 Meter heran kommen. Wir dümpeln so leise dahin, dass wir sogar das Schaben der Krallen auf den Steinen hören, wenn die Grizzlies sie nach Muscheln, Krabben oder kleinen Aalen durchsuchen.
Nach einem Zwischenstopp samt Mittagsessen in der Lagoon Cove Marina steigen wir auf ein kleines Boot mit Plattform um, das auch in die flachen Flussarme gleiten kann. Wir sehen Bärenjunge ganz nah, die versuchen mit ihrer Mutter Schritt zu halten (und nicht ins Wasser zu fallen).
Auf dem Rückweg nach Telegraph Cove sehen wir – leider nur aus der Ferne – noch drei Buckelwale.




Am Folgetag haben wir von Wasser noch nicht genug und finden uns in Kajaks wieder. Leider spielt das Wetter so gar nicht mit und statt der erhofften Nähe zu Walen und anderen Tieren sehen wir quasi nichts außer dichtem Nebel. Nur unter Wasser sind einige Entdeckungen zu machen. Aber letztlich müssen wir festhalten, dass die Tour für uns eine sehr zähe Geschichte bleibt.

