Auf in die Berge

Nach zwei Nächten verlassen wir Vancouver mit unserem gemieteten Wohnmobil der kleinsten Kategorie. Es ist nur 6,17 Meter lang, 3,40 Meter hoch, hat einen mit Gasherd, einen Gasofen, eine Mikrowelle, Kühlschrank und Gefrierfach, Standheizung, Klimaanlage und Dusche sowie Toilette. Für unsere Verhältnisse völlig neue Umstände – für die Kanadier:innen eine eher winzige Fortbewegungsmöglichkeit. Wir haben ja schließlich nicht mal ein zweites Auto am Wohnmobil hängen und dürfen die Schilder auf 7,5m Länge beschränkte Zufahrtsstraßen getrost ignorieren. Ebenso ungewöhnlich ist für uns der erste Einkauf im gigantischen Walmart. Ich entscheide mich gegen den Kauf eines Bootes und wir bleiben bei den Lebensmittelbasics.

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Revelstoke National Park

Auf dem Weg zum Revelstoke National Park, der eher am westlichen Rand der Rockies liegt, wird die Luft immer dichter. Die Waldbrände in der Gegend machen sich bemerkbar. Uns beeinträchtigen sie allerdings zunächst nicht zu stark, nur die Sicht leidet und wir kommen erstmals auf die Idee, unsere weitere Route mit den Warnungen vor Waldbränden abzugleichen. Wie wenig später erfahren, wird die Strecke zwei Tage nach uns für einige Tage gesperrt. Gerade nochmal Glück gehabt. Bedingen „kleinere Umwege“ in Kanada doch gerne mal einige hundert Kilometer.

So aber starten wir in unseren Wanderurlaub. Denn eigentlich sind wir ja nicht für Städte wie Vancouver gekommen, sondern für die Natur. Wir beginnen langsam: mit ordentlich Strecke, aber wenigen Höhenmetern.  Unser Weg führt uns zu den zwei Bergseen Lake Eva und Miller Lake. Leider ist es dort zu windig, sodass wir nicht wie geplant baden gehen, sondern uns mit einem gemütlichen Picknick begnügen. Aber bekanntlich ist ja (auch) der Weg das Ziel und wir sehen unsere ersten Murmeltiere, unzählige Eichhörnchen, Streifenhörnchen und Wachteln.

Auf dem Weg zurück zum Auto schrecke ich Ramona mit dem Ausruf „BÄR BÄR BÄR“ aus dem Wir-müssen-den-gleichen-Weg-zurück-wie-hin-Trott. Auf dem Wanderweg sprintet ein großer Schwarzbär direkt auf uns zu, biegt dann aber nach rechts ins Gestrüpp ab. Seine Hektik erklärt sich durch zwei Trailrunnerinnen, die sich lauthals unterhalten und ihn so unwissentlich vor sich hergescheucht haben. Bis auch noch wir seinen Weg gekreuzt haben. Zum Glück haben wir unser (latent nervig bimmelndes) Bärenglöckchen am Rucksack und uns beim Bären angekündigt. Das Bärenspray bleibt also erstmal umtauschbar.

Wanderung: Eva Lake and Miller Lake

Glacier National Park

In der Hoffnung noch einen guten Campspot auf der Illecillewaet Campsite zu erhaschen, machen wir uns früh auf den Weg zum Glacier National Park. Zu unserem Glück so früh, dass wir tatsächlich einen Platz (Nr. 44) direkt am Wasser bekommen und uns von dort aus auf die Wanderung zum Perley Rock Field machen.
Wir wussten, es wird anstrengend, aber dieser Aufstieg hat es dann doch wirklich in sich. Bis zum Ende hin geht es dauerhaft steil bergauf. Der Weg mäandert entlang des Gletscherflusses durch den Wald und in den weiteren Höhen dann über die Geröllfelder, wo einst der Gletscher war. Dabei bieten sich uns immer wieder phänomenale Aussichten auf das umliegende Panorama: Allerdings sind die auch aufs Härteste verdient.
Als sich dann über eine Kuppe hinweg der Blick auf die Gletscherzunge öffnet, ist uns klar, dass dies jede Anstrengung wert ist. Wunderschön und beeindruckend liegt das riesige Gletscherfeld des Illecillewaet Gletschers vor uns und der Gletschersee mit seinen Eishöhlen zu unseren Füßen. Die perfekte Stelle für ein Mittagessen.

Unzählige Fotos später und mit der Feststellung, dass das Gletscherwasser wirklich kalt ist, machen wir uns auf den Rückweg. Brannten beim Aufstieg die Waden, so sind es jetzt die Oberschenkel, die beansprucht werden. Vollumfängliches Beintraining könnte man sagen. Alternativ nennt man das auch Muskelkater im Anflug.

Wanderung: Perley Rock Trail

Mit den zu erwartenden schweren Beinen machen wir es uns mit der weiteren Erkundung des Glacier National Parks leicht und laufen nur noch einen kleinen Rundweg. Er führt uns mit wenigen Höhenmetern auf den alten Bahnschienen der Canadian Pacific Railway entlang. Die erste lange Bahnverbindung zwischen dem Osten und Westen Kanadas wurde 1889 eröffnet und vor allem das Teilstück durch die vereisten, lawinengefährdeten Gebiete des Roger Passes erforderten den Erbauern einiges an Kreativität, Mut und Logistik. 

Wanderung: 1885 Trail

Yoho National Park

Unmittelbar nachdem wir die Staatsgrenze von Britisch Columbia nach Alberta überquert, uns damit der Mitteleuropäischen Zeit um eine Stunde angenähert und das Gebiet der Rockie Mountains betreten haben, fällt uns die Zeitumstellung das erste Mal fast auf die Füße.
Wir sind (vermeintlich) extra zeitig aufgestanden, um früh am Emerald Lake zu sein. Dieser wird von Tourist:innen aller coleur besonders gerne aufgesucht, weil er leicht zu erreichen und zu erkunden ist. Das erste Restaurant mit Seeblick ist nur 200 Meter Fußweg vom Parkplatz entfernt. Das schlägt sich auch in der Anzahl der Fahrzeuge nieder. Wir haben aber Glück, dass es in Kanada oft extra ausgewiesene Parkplätze für Wohnmobile gibt und offensichtlich überwiegend PKWs anreisen. So können wir trotz der Tatsache, dass wir uns verrechnet haben, zunächst gemütlich im Wohnmobil frühstücken und die Massen an Tourist:innen beobachten. Das sind wir bislang nicht gewohnt. Reisebusse laden eine Gruppe nach der anderen aus. 

Aber wie so oft: kaum ist man an den ersten Fotospots und am Restaurant vorbei, sind fast alle verschwunden und wir genießen die idyllische Lage des Sees.

Wanderung: Emerald Lakeshore

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