Bevor wir den Kreis in Cancún schließen, bietet uns Yucatán noch eine letzte Autofahrt durch strömenden Regen. Wir schwimmen durch Pfützen auf der Autobahn, die verdächtig den Furten auf Island gleichen und ich kann nach ausgefallener Skisaison meine Künste im Schlittern beweisen. Aber sehr zum Leidwesen der verkaufstüchtigen Europcar-Mitarbeiter können wir den Wagen heil abgeben und sind dem Road-Assist (der angeblich 10 USD pro angefahrenen Kilometer verlangt hätte) von der Schippe gesprungen.
Nach den vielen gefahrenen Kilometern auf extrem unbequemen Chevrolet-Sitzen freuen wir uns auf das Inselparadies der Isla Holbox. Wir erwarten Mexikos Bocas del Toro und die Messlatte liegt entsprechend hoch. Bei unserer Ankunft müssen wir allerdings feststellen, dass die Regenfälle der letzten Tage dafür gesorgt haben, dass die Straßen so voller Wasser gelaufen sind, dass jedes Haus für sich eine Insel darstellt. Statt aufkommender Erinnerungen an Panama, fühlen wir uns eher nach Venedig versetzt. Recht schnell geben wir den Versuch auf, mit trockenen Füßen irgendwohin zu gelangen. Schicksalsergeben schlurfen wir durch die kleinen Teiche und hoffen einfach, nur nicht samt Sack und Pack im Wasser zu landen.
Die nächsten Tage bringen noch mehr Wasser, diesmal allerdings auch von oben. Die Strandbesuche werden also auf ein absolutes Minimum bzw. Nichts reduziert. Und was macht man bei schlechtem Wetter? Man(n) sucht sich eine Bar. Und wie es die Recherche so will, natürlich eine, die das Gruppenspiel der EM Frankreich gegen Deutschland überträgt. Leider bin ich, bis auf ein paar (natürlich neutrale) Schweizer, von Franzosen umringt. Das Ergebnis ist unglücklicherweise sehr opportunistisch und passt sich den Mehrheitsverhältnissen einer kleinen Bar auf Holbox an.
Kaum wird gerade kein EM-Spiel übertragen und die Sonne lugt hervor, lassen wir uns nicht lange bitten und ziehen an den Strand. Aber nachdem andächtige, romantische Strandspaziergänge zu zweit nicht so unser Ding sind, statten wir kurzerhand dem Tierheim einen Besuch ab und bekommen zwei Leinen samt angehängter Hunde in die Hand gedrückt. Mit Spot und Kira machen wir nicht nur ordentlich Meter, sondern ich nötige die beiden auch zu einigen Steigerungsläufen. Um Missverständnisse zu vermeiden, gibt es keine Beweisfotos über die unterschiedliche Laufbereitschaft von Hunden und Menschen.
Es ist erstaunlich, wie schnell man eine Bindung zu Tieren herstellt. Nachdem wir gemeinsam über den Strand getobt sind, fällt es uns schwer, die beiden im Tierheim wieder von der Leine zu lassen. So ganz können auch Kira und Spot den Abschied nicht nachvollziehen und weichen uns trotzdem nicht einen Zentimeter von der Seite. Sie folgen uns bis zum Tor und stehen dort ganz bedröppelt, bis wir mindestens um die nächste Häuserecke biegen. Es bricht uns fast das Herz, aber zwei ausgewachsene Hunde vertragen sich einfach weder mit Rucksack-Reisen noch mit einer 60m²-Wohnung besonders gut.
Für uns folgt nach der typisch karibisch entspannten Inselidylle im Inland Mexikos das Kontrastprogramm. Als ich noch jung war, also vor etwa drei Jahren, wurde Mexiko City immer als die größte Stadt der Welt bezeichnet. 16 Millionen Einwohner, gefährliche Drogenstadt, von Kartellen dominiert. Heute hat Mexiko City 21,5 Millionen Einwohner und ist „nur“ noch die fünftgrößte Metropolregion der Welt. Den Ruf gefährlich zu sein, hat sie aber immer noch. Da waren die Worte einer Mexikanerin einige Wochen zuvor – „Mexiko City ist auch nicht mehr das was es mal war“ – für uns schon durchaus beruhigend. Ob sie das jetzt gut oder schlecht findet, konnten wir allerdings nicht vollständig herausfiltern.
Auf Grund diverser Flugstornierungen und damit notwendig gewordener Umbuchungen (ein herzliches Danke für gar nichts, British Airways!) ist Mexikos Hauptstadt nur ein Kurztrip für uns. Was sind wir froh, dass wir zumindest die paar Tage haben. Um es klar zu formulieren: die spanische Kolonialherrschaft war ein Verbrechen, die spanische Kolonialbauweise hat der Stadt allerdings so gar nicht geschadet. Uns gelingt es nicht mal ansatzweise, all die schönen Ecken zu erkunden, die es zu finden gegeben hätte. Der Zócalo, der riesigen Hauptplatz im Stadtzentrum, wird von phänomenalen Bauten umschlossen und auch die Fußgängerzone sowie die umliegenden Straßen sind mit herrschaftlichen Palacios gesäumt. Prachtvoll ist das Wort, dass mir dazu in den Kopf kommt.
Passend zu den historischen Häusern, paradieren Oldtimer, vornehmlich amerikanischer Bauart, am Zócalo. Die V8-Motoren knurren, während mexikanische Salsamusik für den auditiven Kontrast sorgt. Selbst die aztekischen Tänzer unterbrechen ihre Darbietungen, um zwischen den Wagen hin und her zu schlendern und die geschmückten Köpfe unter die Motorhauben zu stecken.
Das alte Postamt, welches noch immer in Betrieb ist und der feuchte Traum eines jedes Postboten sein dürfte, glänzt vergoldet und herrschaftlich. Ich hätte da Verbesserungsvorschläge für deutsche Behörden: Grau ist out, (Echt-) Gold ist in.
Obwohl Mexiko riesig ist und wir in den letzten zwei Monaten unfassbar viel gesehen haben, zieht sich doch ein roter Faden durch die Reise: keine Woche ohne Ausgrabungsstätte. Waren es bei Oaxaca die Überbleibsel der Zapotheken, auf Yucatán die der Mayas, präsentieren sich uns jetzt die Bauten der Azteken. Kleiner Spoiler: sie erscheinen (unserer unwissenden Meinung nach) nicht so grundverschieden.
Nachdem wir uns in der Innenstadt bereits die Füße plattgelaufen haben, fahren wir nun in den Himmel auf. Nein, über Wasser können wir noch nicht gehen und auch für das Thema Himmel brauchen wir noch ein Hilfsmittel. Das Luftfahrzeug unserer Wahl ist diesmal ein Heißluftballon. Zum Sonnenaufgang starten wir in der Nähe von Teotihuacán und fahren im roten Licht über die rund 1900 Jahre alte Aztekenstadt. Ausnahmsweise sind wir mal nicht völlig alleine und die aufsteigenden Heißluftballone bilden eine unglaublich schöne Kulisse. Nach einer Stunde in der Luft ist der Spaß jedoch schon wieder vorbei. Ich bin mir sicher, wir hätten es auch noch weiter geschafft. Meine entsprechenden Vorschlag erwidert der Ballonfahrer mit einem derart bösen Blick, dass ich mich schweigend zurück ziehe. ‚Tschuldigung, war ja nur so eine Idee.
Wie für jeden Länderwechsel in diesem Jahr steht mal wieder das leidige Thema PCR-Test auf dem Programm. Wir starten eine Odyssee durch die Stadt, denn das von uns als Covidtestcenter identifizierte Labor führt keine solchen Tests durch. Daher müssen wir (natürlich) auf die andere Seite und bekommen so wieder eine Stadtrundfahrt geboten, mit der wir UBER finanzieren. Letztlich werden Nase und Rachen aber erfolgreich penetriert und uns ist nach etwas Ruhe zu Mute. Einmal hat die Instagram-Werbung funktioniert und dank ihr landen wir in der Ausstellung „Van Gogh – Alive“. Nicht nur sind die bekanntesten Werke von Van Gogh zu sehen (von denen ich nicht zwingend gewusst hätte, dass sie von ihm sind), sondern werden multimedial mit Fakten aus seinem Leben und Musik untermalt. Zu viel möchte ich nicht verraten, denn die Wanderausstellung kommt vom 27.07.21 bis 01.11.21 nach München. Wir können sie wirklich nur jedem ans Herz legen. Es lohnt sich (und das nicht nur wegen der bequemen Sitzkissen)!