Eine Reise ins Elsass
Kennt ihr das? Ihr wollt mit Freunden wegfahren, Zeit habt ihr nur über dass Wochenende, An- und Abreise sollen wenig Zeit beanspruchen. Also sticht einem schnell unser Lieblingsnachbarland Österreich ins Auge. Schnuckelige Städte, wunderschöne Berge und von München aus immer schnell zu erreichen (auch wenn man spontan los möchte und keine Chance mehr hat, ein DB-Sparticket zu ergattern). Straßburg
Aber diesmal sollte es mal was anderes werden – Deutschland hat ja schließlich neun unmittelbare Nachbarn (wer jetzt grübelt :-): die anderen acht sind Dänemark, Niederlande, Belgien, Luxemburg, Schweiz, Österreich, Tschechien und Polen).
Wir haben uns gleich Freitag mittags ins Auto gesetzt und nach knapp drei Stunden die Landesgrenze zu Frankreich passiert. Wie mit nur einem Wimpernschlag ändert sich das ganze Stadtbild. Die Häuserfassaden sind verschnörkselt, die Straßenbeschilderung sieht irgendwie anders aus und trotz mehreren Jahren Schul-Französisch versteht man nur einen Bruchteil.
Und diese Bäume! Überall am Straßenrand stehen diese knochigen, knorpeligen Platanen. Im Winter erwecken sie das Gefühl, als wäre man auf einem anderen Planeten gelandet – ob das auch im Sommer noch so ist, werden wir irgendwann sicher prüfen.
Aber um endlich zum Punkt zu kommen: wie ist es nun in Straßburg?
Wir fanden es absolut reizend. Nicht groß, aber beschaulich. Nicht spannend, aber entspannend.
Wir sind stundenlang durch die Innenstadt (Quartier de la Grand-Île) geschlendert. Dabei kommt man an jeder Straße mehrfach vorbei, aber das tut dem Ganzen wirklich keinen Abbruch. Die Fachwerkhäuser aus dem 16. und 17. Jahrhundert sind überall unterschiedlich hoch, mal schief, mal restauriert und mal winzig klein in Lücken gequetscht. Kein Wunder, dass die Straßburger Innenstadt zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt. Mein absolutes Lieblingshaus war das Kammerzellhaus aus dem 16. Jahrhundert mit unzähligen Verzierungen an den Außenwänden (einen Restaurantbesuch haben wir uns nicht gegönnt, weder Budget noch Outfits hätten das hergegeben). Ich hätte auch stundenlang auf den kleinen Flohmärkten in der Altstadt verbringen können. Von Schmuck über Möbel, Granathülsen, Pins und Porzellan wurde alles angeboten. Nichts passte so richtig zusammen, wie gesagt, wirklich reizend! Straßburg
Das Straßburger Münster
Der Sage nach ritt nach dem Bau der Kathedrale der Teufel auf seinem Pferd vorbei und wunderte sich so über das Bauwerk, dass er anhielt, um es zu besichtigen. Dabei wurde er vom Beginn der Frühmesse überrascht und in einen Pfeiler eingeschlossen. Seit diesem Tag fegt sein Pferd Wind um das Münster auf der Suche nach seinem Reiter. Windig ist es dort wirklich. Muss also was Wahres dran sein.
Hört man, dass das Straßburger Münster (auf französisch hat es mit „La Cathédrale Notre-Dame“ eindeutig einen romantischeren Namen) eigentlich zwei Türme bekommen sollte, aber seit hunderten von Jahren mit nur einem Turm auskommen muss, wirkt das ganz schön mitgenommen. Weniger beeindruckend macht es das Münster jedoch überhaupt nicht. Die wunderschöne Westfassade ragt plötzlich zwischen Fachwerkhäusern auf und vor allem abends beleuchtet war das Münster ein traumhafter Anblick.
Der Innenraum des Münsters ist überwältigend. Egal, ob man die monumentale Orgel, die bunt leuchtenden Glasfenster oder die schiere Höhe bewundert. Seit ich „Die Säulen der Erde“ gelesen habe und den Bau einer Kathedrale aus Sicht von Philipp und Tom „gesehen“ habe, gefällt es mir noch besser, Kirchen zu besuchen. Ein bisschen hab ich mir auch gewünscht, dass Jack einfach um die Ecke biegt. Vielleicht ist er aber auch gerade nochmal in St. Deniz.
Leider konnten wir weder die berühmte Astronomische Uhr sehen noch auf der Aussichtsplattform den Blick schweifen lassen. Die Bauarbeiten sollen aber Mitte 2019 abgeschlossen sein.
Le Petit France
„Kleinfrankreich“ ist ein malerisches Viertel voller engstehender Häuser, enger Gassen und kleiner Brücken. Eine davon wird sogar bewegt, um die unzähligen Aussichtsboote passieren zu lassen. Die Fußgänger stehen sich dann wie Demonstranten auf einer Links-Rechts-Demo gegenüber. Allzeit bereit loszusprinten, sobald die Brückenwächter die Sperrketten lösen. Vielleicht schafft man es ja sonst nicht, schnell genug die andere Straßenseite zu erreichen, bevor das nächste Boot durchfährt.
Wir haben uns gegen eine Bootstour entschieden, irgendwie konnten wir uns nicht vorstellen, dass der Blick von dort deutlich besser ist. Dazu kommt, dass sich die Boote gefühlt im Minutentakt über die schmalen Kanäle schieben und stundenlang durch die Schleusen zwängen. Direkt am Ill liegt das Maison de Tanneurs und wunderschön das kleine Blumenhaus Maison de la Protéction des mineurs zwischen zwei Kanälen.
Den für uns schönsten Blick auf Straßburg hat man von der Schleuse „Barrage Vauban“ (vielleicht auch vom Münster, aber das konnten wir ja leider nicht beurteilen). Früher konnte man dort ein riesiges Gebiet fluten, um annähernde Truppen abzuwehren. Heute ist auf der Schleuse eine Aussichtsterrasse, von dem aus man die Kanäle, Brücken und Fachwerkhäuser des „Petit France“ sehen kann. Die frühere Stadtbefestigung (Ponts Couverts) mit ihren vier massiven Türmen bildet das typische Straßburg-Postkartenmotiv.
Eis, Kaffee. Lebensnotwendig.
Was erleichtert jeden (Abend-)Spaziergang und jede Sigthseeing-Tour? Eis! Natürlich Eis!
Im Amorino gibt es das sogar als Rosen. So viele Sorten man möchte (oder die Rosenblätter hergeben).
Natürlich überstehe ich ein Wochenende nicht ohne den einen oder anderen Kaffee. Wobei wir zumindest im Café „Oh my Goodness“ daran gescheitert sind, normalen schwarzen Kaffee zu bestellen. Gibt es wohl nicht. Oder gibt es zumindest nicht für Menschen mit wenig Französisch-Kenntnissen. Aber nachdem wir zuerst nicht das beste Frühlingswetter erwischt hatten, war es für uns dort so richtig gemütlich. Ein bisschen abseits der Grand Île, aber nach ein paar Schritten mehr, hat man sich zumindest den Kuchen verdient.
Sobald die ersten Sonnenstrahlen durch die Wolkendecke blitzen, ist aber Zeit, draußen zu sitzen. Dafür war der „Quai des Pêcheurs“ perfekt. Das Cafe Atlantico hat bequeme Lounge-Möbel aufgebaut und direkt am Wasser neben drei Booten kann man mehr als entspannt faulenzen.
Gerne hätten wir auch typisch elsässisch gegessen, z.B. im Chez Tante Liesl. Leider war in vielen Restaurants bereits alles reserviert und wir mussten ein wenig ausweichen (wir waren im Les Bons Copains Tapas essen). Aber wir kommen sicher nochmal wieder, es ist nur noch nicht entschieden, ob für den Weihnachtsmarkt oder warme Wein-Sommerabende.