Wir nähern uns wieder dem Atlantik an und damit Lüderitz. Ziemlich schnell haben wir davon Abstand genommen, dort zu übernachten. Aus verschiedenen Gründen: zum Einen soll Lüderitz einfach nicht wirklich schön sein und zum Anderen hat sich gezeigt, dass es an der Küste extrem windig ist. Und dann fühlt sich das Schlafen in einem Dachzelt in etwa zwei Metern Höhe auf einem gut gefederten Auto an wie eine Nacht auf der Nordsee. Extrem wackelig. Also beziehen wir etwa 100km weiter im Landesinneren unser Lager, durch das sogar abends die Pferde der Farm galoppieren. Wie sich in den Nächten zeigt, ist es leider auch hier sehr windig. Und so kalt, dass wir sogar unsere dicken Jacken raussuchen. Wir sind einfach nichts mehr gewohnt. Bei denselben Temperaturen hätten wir in Norwegen vermutlich noch kurze Hosen angehabt.
Bei so vielen Wochen im Land wollen wir diesmal auch unbedingt nach Kolmanskop. Die alte, seit knapp 60 Jahren verlassene, Diamantenschürferstadt ist DER Lost Place in Namibia. Die ehemalige 300-Einwohner zählende Stadt wird langsam aber sicher von der Wüste verschluckt. Wir bleiben viel länger als geplant und streunern ewig lang durch die Häuser, in denen die Kaiserzeit stehen geblieben ist. Zwischen alten Badewannen und Toilettenschüsseln türmt sich der Sand meterhoch in den Räumen. Betritt man ein Gebäude noch durch die Tür, so verlässt man es durch das nun ebenerdige (= ebensandige) Fenster. Man darf sich nur nicht von den Spuren der Sandvipern oder Puffottern abschrecken lassen.
Die Geisterstadt zu durchstreifen, geht allerdings mit einem Peeling einher. Der Wind schießt nur so über die Dünen und sobald man die geschützten vier Wände verlässt, prasseln die Sandkörner nur so auf Einen ein. Wir finden noch drei Tage später Sandkörner überall am Körper. Und ja wir duschen durchaus oft. An dieser Stelle muss ich mal kurz eine Lanze für die Campingplätze in Afrika (Namibia) brechen. Überall gibt es heiße Duschen und überall sind die Duschmöglichkeiten so großzügig gestaltet, dass man sich genüsslich ausbreiten kann.
Auch wenn wir unseren Aufenthalt wieder eine Nacht verlängern, ist diesmal nicht der Pool der Grund (oder zumindest nicht der Hauptgrund), sondern wir können hier endlich wandern gehen! Namibia ist wunderschön, hat aber speziell jetzt im Sommer den Nachteil, dass es enorm heiß wird. Wir haben eigentlich nie Temperaturen unter 34 Grad, Swakopmund bildet da mit seinen 21 Grad eine viel zu kalte Ausnahme. Das führt dazu, dass wir natürlich viel im perfekt klimatisierten Auto sitzen oder die Zeit am Pool oder im Schatten verbringen. Um es zusammenzufassen, uns fehlt die Bewegung.
Wir nehmen uns also trotz des Wetters mit 18 km die längste Wanderung auf dem Farmgelände vor. Ach, und wen da die Größe des Farmgeländes irritiert, die 18km Wanderweg werden getoppt von insgesamt 80 km Mountainbike-Strecke.
Wir machen uns morgens auf den Weg, um vor der Mittagshitze wieder zurück zu sein, die wir lieber am Nicht-Hauptgrund Pool verbringen wollen. Es tut echt gut, endlich mal wieder die Beine zu bewegen. Wir haben natürlich bei Beginn der Wanderung darauf gebaut, dass der Wind weiter so stark ist, denn so lässt sich auch die Hitze gut aushalten. Tja, wenn man sich auf etwas verlässt. Der Wind beschließt, einen Mittagsschlaf einzulegen, um seine Kräfte für den Abend zu sammeln.
Aber dennoch genießen wir die Strecke. Es ist wunderschön, durch die kleinen Berge und ausgetrockneten Flussbetten zu wandern. Sogar eine ordentliche Kletterpartie ist dazwischen. Zwar steht dort ein Schild mit „steep free climb“, aber so richtig abschreckend finden wir das nicht. In den Nationalparks der USA stand auch oft „difficult: experienced hikers only“ und das war auch eher Ansichtssache. Hier trifft es doch mehr zu als erwartet, was wir in der Mitte des fast senkrechten Kletterabschnitts feststellen. Der Ausblick ist aber Belohnung pur! Wie immer, wenn man sich bergauf kämpft.
So langsam wird es Zeit, dass wir uns gedanklich mit dem Thema Grenzübertritt nach Südafrika befassen. Wir brauchen vor der Überquerung einen negativen Covid-19 Test. Es wabern diverse Gerüchte zwischen den Campern und Farmbesitzern hin und her: Mal heißt es, dass man direkt an der südafrikanischen Grenze einen Schnelltest machen kann, mal muss es der „große“ PCR-Test sein. Wir schieben die Entscheidung noch ein wenig und informieren uns von Campsite zu Campsite neu.
Wir nähern uns trotzdem schon sehr Südafrika an, genauer gesagt dem Oranje River. Der Grenzfluss zwischen Namibia und Südafrika ist weniger spektakulär als der Kunene im Norden Namibias (als Grenze zu Angola). Schwer könnte ein Durchschwimmen hier nicht sein, sofern man die lauernden Krokodile ignorieren kann. Die Strecke ist trotzdem sehenswert, vor allem die grüne Natur ist eine Wohltat nach den sandigen Wochen nahe der Namib.
Vom Oranje aus geht es für uns in die Nähe des nächsten Flusses: dem Fish River. Wir sehen zwar nur sein Flussbett, aber eingebettet im Fishriver Canyon ist das doch ein arg spektakuläres Flussbett! Wer schon mal an einem großen Canyon gestanden hat, der weiß um dieses Gefühl der absoluten Winzigkeit und eigenen Bedeutungslosigkeit. Genau dieses Gefühl ereilt uns wieder, als wir an der Kante des zweitgrößten Canyons der Welt stehen. Die Ausmaße des Grand Canyons in den USA haben uns vor Jahren schon völlig beeindruckt, allerdings wirkte dort alles durch seine Absperrungen und geteerten Wege viel zivilisierter. All das hat der Fishriver Canyon nicht. Wir stehen unmittelbar an der 800 Meter tiefen Kante und frühstücken mit einem grandiosen Ausblick!