Wir verlassen den Kruger Nationalpark und sofort wird das Wetter besser. Ein Schelm, der dem Wettergott dabei Böses unterstellt.
Nach den langen Tagen mit primär sitzender Beschäftigung wird es Zeit, mal wieder die Beine auszuschütteln. Wir wollen am Blyde River Canyon wandern, der als drittgrößter Canyon der Welt gilt. Wer aufmerksam meine Artikel liest, stolpert jetzt bestimmt über die Rangfolge und erinnert sich an unseren Besuch am zweitgrößten Canyon.
Mich kostet es einige Überwindung, meine inzwischen sehr ramponierten und noch leicht feuchten Wanderschuhe anzuziehen. Ramona verspricht mir aber, dass ich sie danach nicht mehr einpacken muss, sondern zum Wohle aller an der Campsite zurücklassen darf. Alleine der Weg zum ersten Aussichtspunkt ist die Mühe wert und wir brauchen einige Foto-Minuten, bevor wir überhaupt in den richtigen Wanderweg einsteigen. Die Blicke vom Weg aus sind spektakulär und wieder ist es ein Wasserfall, der mir Abkühlung während der Wanderung verschafft. Ramona entscheidet sich nach kurzem Test mit dem großen Zeh seltsamerweise gegen ein erfrischendes Bad.
Ein entsorgtes Paar Schuhe später genießen wir die letzten Tage in unserem fahrbaren Zuhause. Obwohl es nach Sonnenuntergang ungewohnt kühl wird, verbringen wir zwei lustige Abende mit Oli und Markus, die ihre Wahlheimat Südafrika durchreisen. Bei Braai, Wein und Lagerfeuer klingt unsere Campingzeit in Südafrika gebührend aus.
Und dann ist es soweit. Unser Toyota Hilux, unser Makalani, wie wir ihn getauft haben, wird übergeben. Vier Monate war er mit nur einer Woche Unterbrechung unser Fortbewegungsmittel, unsere Küche, unser Schlafzimmer und unser Wohnzimmer. Es ist schon erstaunlich, wie sehr einem ein Auto ans Herz wachsen kann. Viel haben wir erlebt und in uns ist die Idee gewachsen, Afrika einmal mit dem eigenen Auto zu durchqueren. Bislang ist es noch ein Traum, aber einst war auch ein Sabbatical nur eine wage Vorstellung und die vielen Begegnungen auf der Reise haben uns gezeigt, dass es möglich ist.
Nach Abgabe des Wagens lassen wir uns noch für drei Tage von Johannesburg einsaugen. Viel hatten wir vorher von der Stadt gehört. Sie sei riesig – stimmt -, gefährlich – stimmt vermutlich auch, wir fühlen uns aber sicher- und sie pulsiere und sei voller Leben – stimmt definitiv. Der Curfew, die Sperrstunde, ist hier mehr ein Vorschlag als eine verbindliche Verordnung. Vor unserem Haus geht die Straßenparty, 150 Meter von der nächsten Polizeidienststelle entfernt, auch noch zwei Stunden nach Beginn der nächtlichen Ausgangssperre weiter. Man gewinnt den Eindruck, dass es mehr die Feiernden sind, die entscheiden, wann das Ende gekommen ist und weniger die, dann doch irgendwann angerückte, Polizei.
Maboneng, wo unser Apartment liegt, gehört eindeutig zu den hipperen, sichereren und interessanteren Teilen der Innenstadt. Wobei man auch hier schnell merkt, dass sich das Stadtbild von Straßenecke zu Straßenecke rapide wandeln kann. Sipho, mit dem wir in Kapstadt eine Streetart-Tour gemacht haben, ist leider nicht in der Stadt, aber übergibt uns mit Lizwe in ebenso gute Hände. Wir lernen auf unserem Rundgang viel über das Leben in der „gefährlichsten Stadt Südafrikas“, die Gentrifizierung und die örtliche Kunstszene. Besonders freut uns, dass uns Henrike auf der Tour begleitet, die wir am Grenzübergang Namibia-Südafrika kennengelernt haben. War dort die Situation eher stressig, können wir jetzt gemütlich bei Kaffee den Roadtrip Revue passieren lassen und sogar noch authentische Asia-Küche in Afrika genießen. Als die südafrikanischen Angestellten hören, dass es sich um unseren letzten Abend in Afrika handelt, müssen wir fast dafür kämpfen, überhaupt etwas zu bezahlen.
Seit dem Ende der Apartheit 1994 ist Südafrika intensiv darauf bedacht, die Erinnerung an diese Zeit hoch zu halten. So ist die Apartheit (zu recht!) oft wieder Thema. Ob es nun ist, weil sich Schwarze, People of Colour oder andere Ethnien nach wie vor von Weißen oder nun auch Weiße sich durch Schwarze rassistisch behandelt fühlen. Der Konflikt des vergangenen Jahrhunderts ist immer noch Teil der Gesellschaft. Viele der jüngeren Südafrikaner, insbesondere der Generation, die nach 1994 geboren ist, ob sie nun Schwarz, Weiß oder People of Colour sind, versuchen zu diesem Konflikt auf Abstand zu gehen. Aber letztlich holt er auch sie regelmäßig wieder ein, wenn auch zumeist nicht mehr so konfrontativ. So ist für uns der Besuch in der Apartheits-Erinnerungsstätte in Johannesburg ein Pflichttermin. Zumal das Thema Rassismus auch in Deutschland auf Grund verschiedenster Parteien, Personen und Bewegungen traurigerweise wieder an Aktualität gewinnt.
Die Gedenkstätte ist dann überwältigend. Zum Einen, weil die Thematik im
Rahmen der Ausstellung so intensiv und mit all ihrem Schrecken dargestellt wird und zum Anderen, weil es viel zu viele Informationen sind. Zu Beginn lesen wir noch jede Schautafel und jede Information, bevor wir gegen Ende dazu übergehen (müssen) selektiv zu lesen. Letztlich erfüllt das Museum also äußerst umfassend seinen Zweck. Menschen wie uns, welche die Geschichte Südafrikas nicht verinnerlicht haben, bietet es einen Einblick in die Geschehnisse, der weit über einen Wikipedia-Artikel hinausgeht. Für Menschen, die mit der Geschichte vertraut sind, eröffnen sich viele Möglichkeiten, ihr Wissen zu erweitern.
Nach intensiven Stunden stehen wir schließlich im letzten Raum vor der großen Flagge Südafrikas und hören die Nationalhymne, die ganze fünf Sprachen in sich vereint.
„And united we shall stand,
Let us live and strive for freedom,
In South Africa our land.“