Manchmal habe ich das Gefühl, ich wiederhole mich in meinen Erzählungen. Ganz manchmal überprüfe ich dann sogar die vergangenen Texte, ob ich ähnliche Wahrnehmungen schon einmal niedergeschrieben habe oder nicht. Es gibt jedoch Dinge, bei denen ich sicher bin, sie bereits gesagt zu haben und sie trotzdem immer wiederholen möchte. Wüsten mit ihren Dünen sind beeindruckend, Berge und Fjorde spektakulär und Baden im warmen Meer ein Genuss. Ergänzen möchte ich diese Liste damit, dass Urwälder gigantisch schön sind. Ich könnte jetzt zu einer seitenlangen Liebenserklärung ansetzen, warum eine Vielzahl von besonders grünen Bäumen so eindrücklich ist, aber unterm Strich bleibt nur das Fazit relevant: Urwälder sollte man nicht abholzen, sondern bewundern.
Nun ist Costa Rica im Prinzip ein großer Urwald. Um zu neuen Entdeckungen zu gelangen, ist es daher unerlässlich, statt dem täglichen Körperpflegeprodukten eine gute Schicht Moskito-Schutz aufzutragen und loszuwandern. Im Parque Nacional Volcan Tenorio stürzt der Río Celeste in einem bildschönen Wasserfall in die Tiefe. Er erwartet uns mit türkisblauem Wasser umgeben von idyllischer Natur. Wären die letzten Meter nicht auf einer betonierten Treppe zurückzulegen, bekäme man durch die herabhängenden Lianen und das undurchdringliche Blätterwerk das Gefühl, mitten in den Film Avatar eingetaucht zu sein.
Die Farbe des Flusses entsteht durch den Zusammenfluss des Río Buena Vista und des Quebrada Agria. Durch den nun sinkenden pH-Wert verbinden sich die enthaltenen Mineralien zu größeren Partikeln und die Reflektion des Sonnenlichts erzeugt die wunderschöne türkisblaue Färbung. Das Internet sagt, das Phänomen heißt „Mie-Streuung“. Bei der Erklärung desselben bin ich jedoch bereits bei dem ersten Wikipedia-Absatz ausgestiegen.
Daher zurück zu den relevanten Informationen über den Park: Das Baden ist überall verboten. Nicht weil es gefährlich ist, sondern weil die Sedimente aufgewirbelt werden würden und so die blaue Farbe weniger intensiv sichtbar wäre. Allerdings kommt mir diese Erklärung arg seltsam vor. Ist es nicht denkbar, dass das Herabstürzen des Wassers gut 30 Meter in die Tiefe mehr Sedimente aufwirbelt als der eine oder andere Badende? Und doch ist das Wasser im Becken kräftig türkisblau. Man wird ja wohl noch hinterfragen dürfen…
Als uns die zwitschernden Tucane (kann man das bei großen Vögeln überhaupt sagen?) morgens „wecken“, lassen uns auch die Wolken nicht im Stich. Aus dem Bett heraus werfen wir einen Blick auf den schönsten vulkanförmigen Vulkan Costa Ricas. Er zeigt sich endlich in seiner ganzen Pracht, nachdem er sich die Tage zuvor noch schüchtern versteckt hatte. Mussten uns halt erst kennenlernen. Fairerweise muss man dazu sagen, dass sich das Spektakel um 05.30 Uhr abspielt. Ich sehe ihn dementsprechend mit nur einem Auge, während Ramona tapfer aufsteht und sich auf den Balkon setzt. Als sich der Vulkan wieder zu verstecken beginnt, wird ihr langweilig und auch ich darf aufstehen. Aufgabe zwei des Tages: Faultiere suchen! Es sollen sich laut dem Eigentümer einige in den umliegenden Waldstücken aufhalten. Nach knapp 1 ½ Stunden und unzähligen Mückenstichen (mittelamerikanischen Bodylotionersatz vergessen) stellen wir fest: Nein, tun sie nicht! Dabei scannen wir wirklich gewissenhaft jeden einzelnen Baum ab. Ernüchtert kehren wir zurück und berichten von unserem Misserfolg. Daraufhin dreht sich Jonathan um, schaut 15 Sekunden in die Bäume, deutet auf einen Baumwipfel und zeigt uns ein Faultier. Es gibt so Momente im Leben, da fühlt man sich einfach nur auf den Arm genommen. In diesem Fall führt es dazu, dass wir beschließen, nicht mehr selber proaktiv nach Faultieren zu suchen. Offensichtlich sind wir nicht dazu geeignet.
Als er unsere Ernüchterung bzw. dann Freude über das verschlafene Knäuel wahrnimmt, kommentiert er es mit seinem geliebten „Pura Vida!“. Nicht nur er nutzt es in jedem zweiten Satz, sondern überall ist man damit konfrontiert. Egal ob als Begrüßung, Verabschiedung oder Sticker in WhatsApp – „Pura Vida“ ist ein Allrounder. Es scheint direkt aus den Herzen der Ticos zu kommen, die mit dem Gusto „es wir schon irgendwie werden“ durchs Leben gehen. Besonders gerade scheint genau dieses Motto aktueller zu sein, denn je.
Mir ist bewusst, dass wir oft (hochverdiente) Pausen machen. Den Abend in heißen Quellen mitten im Urwald zu verbringen und dabei Cocktails zu schlürfen, gehört aber zu den ganz besonders schönen Entspannungsphasen. Vor knapp fünf Jahren haben wir so etwas schon in Island erlebt und dort fast jeden Abend noch einem Hotpot gesucht. Auch in Costa Rica ist vulkanische Aktivität an diesem Genuss „Schuld“, nur ganz so oft können wir uns das hier nicht leisten. Dass sogar ich es vier Stunden lang in so heißem Wasser aushalte, ist irgendwas zwischen beeindruckend und erschreckend.
Wunderbar ausgeschlafen lassen wir uns in brütender Hitze die Herstellung von Kaffee in der Plantage Finca Lora erklären. Der Kaffeefarmer, ein Schweizer Auswanderer (woher auch sonst?), der als Theologe seit 30 Jahren in Costa Rica lebt, stapft mit uns zunächst auf steilen Hängen zwischen Kaffeepflanzen umher, um sich dann der Auslese, Trocknung und letztlich der Rösterei zuzuwenden. Viel kühler wird es neben dem 230 Grad heißen Kesselofen erstaunlicherweise auch nicht. Am Ende stellt sich heraus, ich mag Kaffee immer noch nicht, aber jetzt bin ich mit einem geballten Wissen ausgestattet und werde meinen Kollegen natürlich künftig erklären, was sie zu trinken haben. Ramona hingegen genießt nicht nur die Erklärungen, sondern auch das Produkt an sich. So sind am Ende alle glücklich.
Den Abschluss unserer Zeit im Norden des Landes soll der Vulkan Poás darstellen. Der Blick in den Krater dieses 2700 Meter hohen Gasvulkans, der zuletzt 2017 ausgebrochen ist, wurde uns als gigantisch beschrieben. Auf dem Parkplatz müssen die Wagen rückwärts eingeparkt werden und nur in Kleingruppen darf man behelmt für 20 Minuten an die Abbruchkante. Es gibt auch kleine Bunker, in die man sich im Notfall zurückziehen kann. 300 Meter in der Tiefe und 1500 Meter im Durchmesser sind die Ausmaße dieses Kraters, bei dem der Deckel weggesprengt wurde. Nach einer kurzen Einweisung folgen wir gespannt dem kurzen Fußweg, die Kamera ist bereit und dann das. Fast so spektakulär wie unser Blick in die Vulkankrater auf Island, oder?
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